Du bist von Beruf Rechtsanwältin, bist politisch interessiert und engagiert. Zudem bist du Präsidentin von «Business & Professional Women» (BPW) Club Bern – von dort kennen wir uns.

Aus welchen Gründen hast du dich zum Beitritt zu BPW entschieden?
Eindeutig wegen dem Netzwerk. Ich habe kurz vor meinem Beitritt zu BPW den Job gewechselt und die neue Arbeitgeberin erwartete von mir, dass ich Mandate akquiriere. Als Baslerin fehlte mir in Bern aber das eigene Netzwerk aus Schul- und Studienzeit. Deshalb habe ich gezielt danach Ausschau gehalten, wie und wo ich ein eigenes Netzwerk in Bern aufbauen kann. Als Ausgleich zu meinem beruflichen Alltag sollte es ein Netzwerk ausschliesslich für Frauen sein. Dass die neuen Kontakte via BPW auch privat eine grosse Bereicherung wurden, war und ist ein sehr geschätztes Supplement!

Warst du schon damals politisch aktiv – und / oder hat deine Mitgliedschaft dazu beigetragen, dass du «politischer» geworden bist?
Auslöser für meine erste politische Aktivität – meine Kandidatur für den Stadtrat Bern im Herbst 2020 für die FDP – waren zwei Aspekte. Seit 2018 bin ich Präsidentin vom BPW Club Bern. In dieser Funktion werde ich vermehrt mit Fragen zur Gleichberechtigung konfrontiert. Lohngleichheit, Quotenregelung, Rentenalter und Altersvorsorge, Vereinbarkeit Beruf und Familie, Militärdienst für Frauen – das Spektrum ist breit! So habe ich mich vermehrt und vertieft mit politischen Fragestellungen beschäftigt. Der letzte «Schups» gab mir Helvetia ruft: deren Kampagne, um Frauen für mehr Engagement in der Politik zu gewinnen, hat mich mehr als überzeugt.

Mein erstes Engagement in der städtischen Politik fand unterdessen eine Fortsetzung: seit diesem Frühjahr bin ich Mitglied der Parteileitung der FDP. Die Liberalen Stadt Bern.

Als BPW sind wir ja gemeinsam von verschiedenen Fragen betroffen, die insbesondere Frauen betreffen. In diesem Jahr steht das 50 Jahre Jubiläum des Stimmrechtes für Frauen in der Schweiz im Fokus. Wie bewegt dich dieses Jubiläum?
So schön dieser Erfolg vor 50 Jahren war, ist er für mich nach wie vor erschreckend. Über Jahrzehnte musste für etwas Selbstverständliches gekämpft werden. Die Schweiz wird im In- und Ausland oft als Musterbeispiel für die Demokratie gelobt, dabei hat sie diesen Status erst vor 50 Jahren erreicht.

Die Schweizer Frauen haben heute das gleiche aktive wie passive Wahlrecht wie die Männer. Es ist aber Tatsache, dass in diversen politischen Ämtern die Frauen markant untervertreten sind. Speziell in diesem Jahr bewegt mich die Frage, wieso das immer noch so ist. Wollen die Frauen effektiv nicht gleichermassen mitreden? Oder ist die Welt eine men’s world, geprägt von und für Männer?

Wie bewegst du heute junge Frauen dazu, von ihrem Stimm- und Wahlrecht Gebrauch zu machen?
Insbesondere jungen Frauen versuche ich zu erklären, dass nichts selbstverständlich ist. Der Weg bis zum heutigen Stand der Gleichberechtigung war lang und zermürbend, das Erreichte ist noch jung – und wir sind noch nicht am Ziel. Zudem müssen erkämpfte Rechte immer wieder verteidigt werden – zu schnell gehen sonst Errungenschaften wieder verloren. Dies gilt für die Gleichberechtigung gleichermassen wie für den Erhalt der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte.

Welche Herausforderungen bestehen noch, bis die Frauen in allen Punkten mit den Männern in der Schweiz gleichgestellt sind?
Die grösste Herausforderung ist das Gewohnheitstier Mensch mit seinem Unwillen, seiner Unfähigkeit oder seiner Angst, sich von verankerten Verhaltensmustern und eingespielten Mechanismen zu lösen.

Gleichberechtigung findet bei uns allen statt – sie wird gelebt und vor allem auch den jüngeren Generationen vorgelebt. Es geht darum, als Gesellschaft jedem Individuum die Möglichkeit zu geben, sich gemäss seinen Fähigkeiten und Interessen zu entfalten. Und dafür sind die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Männern und Frauen sind gleiche Rechte und Chancen, sowie die damit einhergehenden Pflichten, zu gewähren, rechtlich wie auch tatsächlich. So können wir uns auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen, was einen konstruktiven Dialog ermöglicht. Dies bringt uns gemeinsam weiter.