Wir haben uns beruflich vor vielen Jahren kennen gelernt, als du im Vorbereitungskurs für deinen Einsatz mit der UNO in der Westsahara teilgenommen hast. Du warst als dipl. Pflegefachfrau während 6 Monaten im Einsatz.Was hat dich in dieser Zeit besonders geprägt, woran du dich bis heute gut erinnerst?

Uff, ist das lange her! Trotzdem kann ich mich an das Jahr 1992/1993 noch sehr gut erinnern. An unser erstes Treffen und an diese spannende, aber auch herausfordernde Zeit in der Mission MINURSO (Mission des Nations Unies pour le Référendum au Sahara Occidental). Ich bin damals als «Greenhorn» in diese, mir bis dahin fremde «Welt des Militärs» eingestiegen. Offen für Neues war ich schon immer, und die Chance, an diesem Einsatz teilzunehmen, war für mich ein Schritt in die richtige Richtung, um meinen Wunsch zu erfüllen, in die Entwicklungshilfe zu gehen. Ich war sehr neugierig. Was werde ich antreffen? Wen werde ich kennenlernen? Womit werde ich es zu tun haben? Der Vorbereitungskurs war sehr interessant und er gab mir wichtige und brauchbare Anhaltspunkte, wie z.B. auch das Pneu wechseln bei einem Sanitäts-Pinzgauer. Ich kann mich erinnern, dass ich mich sicher und gut vorbereitet für den Einsatz in der Westsahara fühlte. – Einmal dort angekommen, erlebte ich unglaublich viel Eindrückliches. Die Soldat:innen unterschiedlichster Nationen, mit denen wir damals zusammengearbeitet haben, die offensichtlich verworrene Situation der Polisario sowie die HoGu’s – wie wir sie nannten (Horch- und Guckspione der Marokkaner), welche uns im Camp rund um die Uhr beobachtet haben. Gleichzeitig auch das besondere Erleben unserer «Schicksalsgemeinschaft» in den verschiedenen Camps, die einzelne von uns bis heute als Freunde zusammengeschweisst hat. Geblieben ist mir dabei, je länger ich wieder über diese Zeit nachdenke, als wir über Weihnachten für alle Heimweh-Soldat:innen ein phantastisches Znacht gekocht haben und unsere über 10 kg erhaltenen Weihnachtsguetzli aus der Schweiz zur Verfügung stellten – an diesem Abend waren wir die Weihnachtshelden.

Nach diesem Einsatz dauerte es nicht lange bis du nach Bern umgezogen bist und ein paar Jahre später Partnerin der Kommunikationsagentur „by the way communications AG“ wurdest. Du bist aus dem Pflegeberuf in eine neue Branche umgestiegen. Was hat dich dazu bewegt? Wieviel Mut hat dich dieser Schritt gekostet
Der Beruf als Pflegefachfrau war meine zweite Ausbildung (1988 -1991). Ich hatte sie nicht zuletzt deshalb absolviert, weil ich auswandern oder in die Entwicklungshilfe einsteigen wollte. Denn nach meiner 2-jährigen Reise um die Welt (1985-1987) musste ich feststellen, dass meine erste Ausbildung zur Kauffrau im Bereich Buchhaltung und Treuhand dafür weniger geeignet war. Daher war mir die Arbeit in einem Büro vertraut und ich wusste, dass ich ein gewisses Know-how in eine Firmengründung einbringen konnte. Zudem wusste ich bereits, was es heisst, etwas Neues aufzubauen, denn ich war, vor dem Einstieg in die Kommunikationsagentur, am Aufbau der damals weltweit neuartigen kontrollierten Drogenabgabestelle KODA-1 in Bern beteiligt (1995). Dabei lernte ich, wie wichtig es ist, offen für permanente Anpassungen zu sein und, dass Pionierarbeit auch nächtelange Diskussionen zur Folge haben kann. Ebenfalls in dieser Zeit unterstützte ich meine Schwester beim Aufbau eines Wohn- und Pflegeheimes in Mohren (AR), wo nicht nur pflegerische Kenntnisse erforderlich waren, sondern auch handfestes Anpacken beim Bau des Heimes. Viel Arbeit, Zeit, Flexibilität, Durchhaltevermögen und ein offenes, positives Denken sowie als wichtigster Faktor gute Freunde gehören als Fazit zu den Grundsteinen einer Pionierarbeit, egal in welcher Branche diese zu erledigen ist. Ende 1997 hat Richard Hurni die Kommunikationsagentur «by the way communications» gestartet. Wir hatten uns in der Mission Westsahara kennengelernt, nicht zuletzt weil wir am gleichen Tag Geburtstag haben und sich daraus ein gemeinsames «Projekt» entwickelte. Daraus entstand dann eine dieser Freundschaften. Ich versicherte ihm damals, ihn beim Schritt in die selbständige Erwerbstätigkeit zu unterstützen und tat dies, indem ich im Backoffice mithalf. So lernte ich diese bildete mich weiter aus und die Vielseitigkeit und Abwechslung einer Agentur gefiel mir sehr. Dennoch war dann im 1999 mein ja zur GmbH respektive später zur AG und damit meinSchritt in die selbständige Erwerbstätigkeit natürlich eine neue Herausforderung. – Wie sagt man so schön: «ich war «noch» jung und voller Tatendrang…!» – Neues, unabhängiges Handeln und Wirken für sich und nicht nur für andere, erforderte eine neue Einstellung. Mir schien, dass wir mit dem visionär denkenden Agenturgründer sowie dem Konzept der Agentur, Erfolg haben würden. Und ich erkannte auch, dass ich dieser Firma als Quereinsteigerin einen Mehrwert bieten konnte. Also stieg ich ein. No risk – no fun, war mein Motto. Mag sein, dass dies etwas Mut erforderte, mir war aber immer bewusst, dass ich jederzeit ein tragendes «Back up» mit meiner zweiten Ausbildung und meiner guten Vernetzung zu verschiedensten Menschen hatte, das mich bei einem allfälligen Scheitern jederzeit hätte auffangen können.

Bis heute bist du in einer entscheidenden Funktion als Geschäftspartnerin. In dieser Agentur bist du für Bereiche wie Finance, HR und Projektleitungen tätig sowie für alles was niemand machen möchte oder Zeit hat zuständig. Welcher Schritt war aus deiner Sicht schwieriger, – Mitbegründerin einer Firma zu sein, oder als Quereinsteigerin in einer neuen Branche Fuss zu fassen? Hast du besondere Erinnerungen/Anekdoten, die du hier kurz erzählen möchtest?
Wenn man schon ins kalte Wasser springt, dann gleich richtig (obwohl mir bei diesem Bild schaudert, denn ich mag kein kaltes Wasser 😉)! Da ich zu Beginn weder vom Agenturbusiness noch vom selbständigen Erwerbsleben wirklich eine Ahnung hatte, hatte ich sämtliche «Freiheiten», jeden Fehler zu begehen, den man machen konnte. Allerdings musste ich darauf achten, dass ich schnell aus diesen Fehlern lernte und sie nicht wiederholte. Das gelang mir, soweit ich das einschätzen kann, recht gut und objektiv betrachtet, waren es ja dann auch nicht so viele Fehler, die mir wirklich passiert sind. Abgesehen von meiner Nachfrage, ob alles ok ist, wenn jemand von der Toilette kommt – wahrscheinlich eine Restanz aus meiner Pflege-Karriere😊. Meine ersten Begegnungen bei Firmen, bei denen ich etwas präsentieren durfte, sind mir aber immer noch in eher wackliger Erinnerung. Bei mehr als 4 Personen ist das definitiv mein Schwachpunkt – auch heute noch. Zu meinen Stärken gehört sicher meine Einstellung, das möglich zu machen, was unmöglich erscheint und für mich selbstverständlich, jeden Kunden als individuell und zuvorkommend zu behandeln.

Welche besonderen Phasen haben dich seither beruflich geprägt?
Die Arbeit in einer Agentur ist häufig durch verschiedene Projekte gleichzeitig, last Minute Projekte und nicht planbare Tage geprägt. Dadurch bleibt wenig Raum übrig, sich auf vergangene Phasen und Ereignisse zurück zu besinnen oder erfolgreiches zu feiern. Dennoch erinnere ich mich gerne an unsere Aufbauphase zurück, in welcher jeder erhaltene Auftrag ein Highlight war oder an unsere erfolgreichsten Jahre, in welchen wir uns mit unvergesslichen Festen auch ab und zu, zusammen mit unseren Kund:innen, für die geleistete Arbeit belohnen durften. Die beiden letzten Jahre waren, Corona bedingt, schwierig und unglaublich intensiv für uns alle. Ich bin froh, wenn bald einmal (hoffentlich!) etwas stabilere Zeiten auf uns zu kommen und wir mit unseren Kunden wieder mal feiern können.

Welchen Tipp gibst du Menschen, die mit dem Gedanken spielen, auch als Quereinsteigerin in ein neues berufliches Umfeld umzusteigen?
Ich bin der Meinung, dass Menschen sich im Laufe des Lebens verschiedenste Kompetenzen aneignen können, wenn sie bereit sind, sich immer wieder aus Komfortzonen hinaus zu bewegen, um Neues zu erfahren. Wenn sich also jemand für ein neues berufliches Umfeld interessiert und die Möglichkeit sieht, einen Wechsel zu machen, bedarf es aus meiner Sicht in erster Linie einer genügenden Portion Neugierde und einen Schuss Selbstbewusstsein. Niemand ist zu alt, um auch nochmals die «Schulbank» zu drücken und sich weiterzubilden. Gut zuzuhören, Fragen stellen, interessiert sein, beobachten was andere Tun und wie sie reagieren – das alles hilft, sich in ein neues berufliches Umfeld einzuleben. Das fachliche Know-how und die Erfahrungen folgen dann von selbst. Wenn du das Gefühl hast, du möchtest etwas ausprobieren, dann suche einen Weg es auszuprobieren. Es lohnt sich auf jeden Fall – als Lebenserfahrung oder als neuer Lebensweg.

Was möchtest du sonst noch sagen?
Es ist schön, dass ich dich kenne und wir uns immer wieder begegnen. by the way communications ist bereits seit 24 Jahren auf dem Platz Bern und ich habe viele Ups und Downs miterlebt. Was ich daraus mitgenommen habe, ist sicher Mut zum dran bleiben und nicht gleich aufgeben sowie auch Mut immer wieder neues auszuprobieren. Meinen Wunsch in die Entwicklungsarbeit einzusteigen, habe ich noch nicht aufgegeben. Vielleicht erfüllt sich der Wunsch auf die eine oder andere Art ja noch…

www.bytheway.ch